Biotina


Versäumnisse

können tragisch sein

Manchmal dauert es bis zu 50 Jahre, bis Forschungsergebnisse ihren Niederschlag in der praktischen Anwendung finden. Versäumt man jedoch, den Ernährungszustand rasch genug zu verbessern, können daraus irreparable Schäden und lebenslange Schmerzen entstehen, auf die möglicherweise ein früher Tod folgt. Bis es soweit ist, daß die Ärzte profunde ernährungswissenschaftliche Kenntnisse erwerben und auf eine richtige Ernährung ihrer Patienten achten, müssen die Eltern die Verantwortung für eine gesunde Ernährung übernehmen, wenn schon niemand sonst es tut. Je kränker das Kind, desto wichtiger ist es, daß sein Nährstoffbedarf gestillt wird. Meist ist es so, daß die Ernährung des Kindes um so schlechter wird, je kränker das Kind ist, und in desto größere Panik verfallen die Eltern. Manchmal vergessen sie, daß Vitamin- und Mineralstoffpräparate lebensstärkend sind und keine schädlichen Medikamente und daß ein krankes Kind sie zusätzlich zur besten Nahrung und aller Hilfe, die der Arzt bieten kann, braucht. Ernährung ist ein Mittel der Gesundheitsförderung und niemals ein Versuch medizinischer Behandlung. Die meisten Krankheiten, von denen dieses Kapitel handelt, sind in meinem Buch »Jeder kann gesund sein« dargestellt. Was für Säuglinge oder Kleinkinder, die an diesen Krankheiten leiden, wissenswert ist, ist hier zusammengefaßt und hauptsächlich für Eltern gedacht, die mein früheres Buch nicht gelesen haben.

Konvulsionen

Eine der häufigsten Ursachen von Konvulsionen, die in der ersten Lebenswoche auftreten können, ist eine durch Phosphorüberschuß induzierte niedrige Kalziumkonzentration. Sie können auch auf eine Magnesium/Phosphor-Imbalanz zurückzuführen sein. Die dadurch bedingten Anfälle, die 50 Prozent der Fälle von Konvulsionen bei Neugeborenen ausmachen, treten bei voll ausgetragenen Säuglingen auf, die mit Kuhmilchpräparaten gefüttert werden. Zu ähnlichen Anfällen kommt es auch bei einem Vitamin-B6-Mangel. Wenn keine Blutanalyse gemacht wird, lassen sich die Vitamin-B6-induzierten Konvulsionen wie auch die durch den Magnesiummangel bedingten Krämpfe nicht von den Konvulsionen unterscheiden, die auf den Verlust von Kalzium zurückzuführen sind. Es gibt einen einfachen Urintest, mit dem nachgewiesen wird, ob und wieviel Xanthurensäure ausgeschieden wird, um einen Vitamin-B6-Mangel festzustellen, aber die meisten praktizierenden Ärzte machen diesen Test nicht.

Allzu oft nehmen Kinderärzte und Eltern an, daß die Konvulsionen auf Gehirnschäden zurückzuführen sind, und geben dem Kind jahrelang krampfstillende Mittel, ohne daß der kleinste Versuch unternommen wird, die Ernährung des Kindes zu verbessern. Ich habe Berichte gelesen, wonach die Anfälle bei Säuglingen sofort aufhörten, nachdem sie Vitamin B6 bekommen hatten; vorher waren sie ständig mit krampfstillenden Mitteln behandelt worden, die zu keinem Ergebnis führten.

Ein kleines Mädchen, das dreizehn Monate lang medikamentös behandelt worden war, litt immer noch an Krämpfen, bis es schließlich Vitamin B6 bekam. Allein schon der Mangel an Vitamin B6 kann zu geistiger Zurückgebliebenheit führen; Elektroenzephalogramme zeigen aber, daß sich die Gehirnfunktionen innerhalb weniger Minuten normalisieren, sobald das Vitamin zugeführt wird. Die krampfstillenden Medikamente zerstören Folsäure, die wichtig für das Gehirn und die DNS- und RNS-Synthese ist. Insofern kommt es nicht überraschend, wenn ein Kind, das an einem Vitamin-B6-Mangel leidet und gleichzeitig lange Zeit medikamentös behandelt wird, über eine mangelhafte Intelligenz verfügt. Man führt das dann gewöhnlich auf einen Geburtsfehler zurück, aber ich habe den Verdacht, daß der Defekt seine Ursache eher in menschlichem Versagen hat. Bei mehreren Erwachsenen und einem ihrer Abkömmlinge traten nach einer über zwanzigjährigen Unterversorgung mit Vitamin B Konvulsionen auf. Hunderte von Säuglingen in Amerika litten an Konvulsionen, weil sie unglücklicherweise eine Säuglingsnahrung bekommen hatten, die das Vitamin nicht enthielt; ich verstehe allerdings bis heute noch nicht, warum dieses Präparat nicht erst in einem Tierversuch getestet wurde, bevor es für den Verkauf freigegeben wurde, oder warum nicht wenigstens ein Kinderarzt so viel über Ernährung wußte, daß er geprüft hätte, ob die Nahrung seiner kleinen Patienten Vitamin B enthält. Auch hier hörten die Krämpfe sofort auf, nachdem das Vitamin B6 zugesetzt worden war. Man weiß seit langem, daß alle möglichen Versuchstiere Krampfanfälle bekommen, wenn ihnen Vitamin B6 oder Magnesium fehlt, das wichtig ist für die Resorption von Vitamin B6 und die Aktivierung Dutzender Enzyme, die Vitamin B6 enthalten. Aus diesem Grund sollten diese zwei Nährstoffe immer zusammen verabreicht werden. Die Dosierungsempfehlungen für diese Nährstoffe zur Behandlung von Konvulsionen variieren beträchtlich. Bei einem Brustkind hörten die Anfälle mit 1 mg Vitamin B6 schon auf. Stillende Mütter, die orale Verhütungsmittel nehmen, brauchen ein Vitamin-B6-Präparat, da sich ihr Bedarf dadurch enorm erhöht. Manche Säuglinge brauchen doppelt so viel Vitamin B6 wie andere, bis die Krämpfe aufhören. Beispielsweise litt ein Kind, dessen Mutter Epileptikerin war, an Konvulsionen, wenn es nicht täglich 20 mg Vitamin B6 bekam. »Dramatische Behandlungserfolge« wurden mit einer einzigen, während eines Anfalls verabreichen Injektion von 100 mg des Vitamins erzielt, aber gewöhnlich reichen 10 mg täglich bei Säuglingen und später 3 bis 5 mg, um Rückschläge zu verhüten. Hier wäre die Hilfe eines ernährungsorientierten Arztes nützlich, da er durch einen Urintest feststellen kann, ob ein Vitamin-B6Mangel vorliegt.

Es wurden auch schon mit Erfolg größere Mengen verabreicht, die aber wohl nicht erforderlich waren und nur den Bedarf an den anderen Vitaminen des B-Komplexes steigern.

Wichtig ist auch der Hinweis, daß Kinderärzte oft Kalzium injizieren, um — wie sie glauben — kalziummangelbedingte Krämpfe zu behandeln, die tatsächlich aber auf einen Magnesiummangel zurückzuführen sind, wodurch sich die Konvulsionen verschlimmern. Die Mutter, die sich in Fragen der Ernährung auskennt, mischt einfach 800 mg Kalzium, 300 mg Magnesium und 15 bis 20 mg Vitamin B6 und löst das Ganze in der Flaschennahrung oder in Wasser auf. Nachdem sie dem Kind das gegeben hat, ist es vielleicht schon nach einer Stunde wieder gesund. Es ist bekannt, daß Krampfzustände oder -anfälle, die von einem Magnesiummangel verursacht sind, nur bei Kindern auftreten, die Flaschennahrung bekommen.

Epilepsie

Allem Anschein nach ist Epilepsie den Konvulsionen, die durch einen Vitamin-B6- oder Magnesiummangel verursacht und »symptomatisch« genannt werden, sehr ähnlich. Ärzte, die sich mit Epilepsie befaßt haben, verschreiben aber meist entweder Magnesium oder Vitamin B6, selten beides. Ein persönlich befreundeter Arzt hat mir erzählt, daß er epileptischen Kindern zum Frühstück einen Teelöffel Epsomer Bittersalz in Saft und zu jeder Mahlzeit 25 mg Vitamin B6 gibt. Nach einer Woche setzt er dann alle Medikamente ab. Auch wenn er später die Dosis Vitamin B6 und Magnesium reduziert, erlitt nach seiner Aussage keiner seiner kleinen Patienten einen Rückfall.

Penicillin, verschiedene andere Antibiotika und viele Arten von anderen Medikamenten steigern den Bedarf an Vitamin B6 so sehr, daß es zu Mangelerscheinungen kommen kann. Genauso kann es durch Diarrhöe und gewisse Medikamente zu Magnesiummangel kommen, der wieder Anfälle verursacht. Offenbar sollte die tägliche Vitamin-B6- und Magnesiumaufnahme vorübergehend erhöht werden, wenn ein Kind Medikamente nehmen muß oder Durchfall bekommt, da durch den Durchfall zuviel Magnesium ausgeschieden wird.

Nicht selten kommt es vor, daß die Familienmitglieder den epileptischen Bruder oder die epileptische Schwester als Schande und Makel empfinden; das Kind selbst leidet zeitlebens schwer an Selbsthaß und der gesellschaftlichen Ächtung. Schon aus Gründen der Humanität sollten diese Kinder die bestmögliche Ernährung genießen. Es hilft vielleicht nicht immer, aber könnte doch einen positiven Effekt haben, wenn man früh genug damit beginnt.

Diabetes

Aus zwei Gründen meine ich, daß die Forschungsergebnisse in bezug auf diese Krankheit im Detail dargestellt werden sollten: zum einen, weil die Zahl der Diabeteskranken rasch zunimmt und jedes Jahr mehr Kinder daran sterben als an irgendeiner anderen verhütbaren Krankheit; zum anderen, weil Ärzte ihren Patienten erzählen, daß diese Krankheit weder verhütet noch geheilt werden könne. Enthält die Nahrung kein Vitamin B6, können die Proteine nicht normal resorbiert werden und aus der Aminosäure Tryptophan bildet sich eine toxische Substanz, die Xanthurensäure.

Wenn Tiere, bei denen ein Vitamin-B6-Mangel in Erscheinung tritt, prompt mit diesem Vitamin versorgt werden, bildet sich bei ihnen keine Xanthurensäure mehr. Der Diabetes wird schlimmer, und weit mehr Xanthurensäure wird ausgeschieden, wenn die Nahrung reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist, wie z. B. Linolsäure, die in Saffloröl, Mais, Sojabohnen oder Avocados vorkommt, und die den Bedarf an Vitamin B6 steigern. Die Höhe des Xanthurengehalts im Urin zeigt an, ob bei einem Menschen ein Vitamin-B6-Mangel vorliegt und wie schlimm er ist.

Menschen, denen Vitamin B6 fehlt, scheiden lange bevor irgendwelche Mängelsymptome festzustellen sind, Xanthurensäure aus. Wenn sich der Mangelzustand verschlimmert, vor allem bei hoher Proteinzufuhr, steigt der Anteil dieser toxischen Säure im Urin, während sich bei Menschen, die ausreichend Vitamin B6 bekommen, diese Säure überhaupt nicht bildet. So konnte man bei Diabetikern, die 50 mg Vitamin B6 bekamen, feststellen, daß sie 97 Prozent weniger Xanthurensäure ausschieden. Wenn sie weiterhin 10 bis 20 mg pro Tag einnahmen, war überhaupt keine Xanthurensäure mehr nachzuweisen. Wieder einmal kann hier eine genaue Beurteilung des Ernährungsstandes nur mit Hilfe eines ernährungsorientierten Arztes erfolgen. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg, als die Nahrung wenig Fett enthielt, wodurch der Bedarf an Vitamin B6 und Magnesium sank, und als die Versorgung mit diesen Nährstoffen gewährleistet war, weil aus dem Getreide kein Auszugsmehl gemacht werden durfte, gab es fast keinen Diabetes mehr.

Wir wissen, daß manche Familien viel mehr Vitamin B6 oder Magnesium brauchen als andere. Die Tatsache, daß die Anlage zu Diabetes erblich zu sein scheint, ist demnach so zu deuten, daß der genetische Bedarf an Magnesium oder Vitamin B6 ungewöhnlich hoch ist. Ich meine, daß Kinder aus einer Familie von Diabetikern auf ihre Versorgung mit Vitamin B6 hin untersucht werden sollten, solange sie noch gesund sind.

Viele Mütter schreiben mir, daß ihre Kinder, manche noch Säuglinge unter 18 Monaten, an Diabetes erkrankten, nachdem sie ein Medikament, meist ein Antibiotikum, bekommen hatten. Bei Schwangeren und bei Frauen, die »die Pille« nehmen, hat man leichte Fälle von Diabetes mellitus festgestellt. Untersucht man daraufhin Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel nehmen, stellt man fest, daß dieser Zustand durch einen Vitamin-B6-Mangel hervorgerufen ist und durch die entsprechende Vitaminzufuhr korrigiert werden kann. Bei einer Untersuchung der Schwangeren war festzustellen, daß durch Vitamin-B6-Gaben der Blutzuckerspiegel deutlich besser wurde. Zahllose Medikamente steigern den Bedarf an Vitamin B6, und Kinder, die damit behandelt wurden, scheiden danach Xanthurensäure aus, während sich diese toxische Säure überhaupt nicht bildet, wenn gleichzeitig mit dem Medikament Vitamin B6 verabreicht wird. Kinder, die medikamentös behandelt werden, sollten als begleitende Maßnahme am besten täglich 5 oder 10 mg Vitamin B6 bekommen. Diabetes ist bei Kindern gewöhnlich viel schlimmer als bei Erwachsenen. Insulinersatzstoffe bleiben weitgehend unwirksam, sie brauchen das Insulin selbst. Viele Ärzte reagieren negativ, wenn die Eltern anfragen, ob sie ihrem Diabetikerkind Vitamin- und Mineralstoffpräparate geben dürfen. Doch die Bauchspeicheldrüse ist bereits geschädigt, und Forschungsergebnisse zeigen, daß wenn einige insulinbildenden Zellen noch gesund sind, Vitamin B6 und Magnesium verhindern können, daß sich die Krankheit verschlimmert. Keine Mutter kann sich abseits stellen und die Hände in den Schoß legen, und sie wird dies auch nicht tun, wenn sie schon einmal gesehen hat, wie ein hübsches Kind durch Zuckerkrankheit erblindet ist. Ob die bessere Ernährung hilft oder nicht, kann davon abhängen, ob die Nahrung um die essentiellen Nährstoffe ergänzt wird und wie groß das Ausmaß der gesundheitlichen Schädigung bereits ist.

Eine bessere Ernährung kann zur Folge haben, daß die biologische Aktivität des Insulins gesteigert wird. Neben dem für ein diabetisches Kind weiterhin wichtigen Vitamin B6 konnte der Insulinausstoß durch folgende Nährstoffe gesteigert werden: Hefe, viel Vitamin C, Pantothensäure, Vitamin B12 und 300 Einheiten oder mehr Vitamin E täglich, allein oder zusammen mit drei Eßlöffel Lecitin. Kleine, häufige, proteinreiche Mahlzeiten regen ebenfalls die Insulinproduktion an. Fehlt es Tieren an Mangan, das auch im Blut von Diabetikern nur in geringen Mengen enthalten ist, werden sie diabetisch; Weizenkeime, die reichste Nahrungsquelle für Mangan, bringt Diabetikern Erleichterung. Zu wenig Chrom, ein Spurenmineral, das in Amerikas Böden kaum enthalten und heute nur für Forschungszwecke erhältlich ist, erzeugte experimentell ebenfalls Diabetes. Kalium, zur Ausnutzung des Zuckers notwendig, ist für den Diabetiker von äußerster Wichtigkeit; insofern ist darauf zu achten, daß die Nahrung diesen Nährstoff reichlich enthält und der Salzverbrauch eher eingeschränkt wird, damit das Kalium nicht mit dem Urin verlorengeht. Leider enthalten viele der von Diabetes-Spezialisten aufgestellten Diätpläne fast keinen dieser Nährstoffe.

Keiner weiß, was passiert, wenn diabetische Kinder noch am selben Tag, an dem die Krankheit diagnostiziert wird, Magnesium und Vitamin B6 bekommen, oder ob eine von Anfang an ausgezeichnete Ernährung es überhaupt nicht zu einem Ausbruch der Krankheit kommen läßt. Wir wissen aber nur zu gut, was passiert, wenn die Ernährung im Hinblick auf diese Nährstoffe nicht verbessert wird. Den Versuch zu unterlassen, die Krankheit zu verhüten, nachdem man so viel darüber weiß, erscheint unmenschlich und grausam. Zeit spielt eine wesentliche Rolle; die Zerstörung des Bauchspeichelgewebes wird schnell irreparabel.

Nierenentzündung (Nephritis)

Eine andere Krankheit, an der Kinder jahrelang leiden und die für viele tödlich endet, ist die Nephritis oder akute Nierenentzündung. Die Nieren werden so geschädigt, daß im Urin Antikörper, das Blutprotein Albumin und Millionen roter Blutkörperchen und abgestorbener Nierenzellen ausgeschieden werden. Die geschädigten Nieren sind dann nicht mehr in der Lage, Substanzen aus dem Abbau der Körperproteine, wie den Harnstoff, der normalerweise durch den Urin ausgeschieden wird, auszufiltern; er sammelt sich dann im Blut an. Der Blutdruck schnellt gewöhnlich hoch, und durch die angesammelte Flüssigkeit werden Gesicht, Hände und Fußgelenke aufgeschwemmt. Zu akuter Nephritis kommt es bei Tieren, deren Futter wenig Cholin, ein Vitamin des B-Komplexes, enthält. Die Nieren bluten, Blut und Albumin werden im Urin ausgeschieden, Flüssigkeit sammelt sich an und der Blutdruck steigt. Der Serumcholesteringehalt steigt übermäßig an. Bislang gibt es noch keine entsprechenden Ergebnisse in bezug auf den Menschen, so daß das folgende nur hypothetischen Charakter hat. Bei Kindern mit Nephritis kann der Serumcholesteringehalt auf 500 bis 700 mg gegenüber dem Normalwert von 180 mg ansteigen. In den Nieren bildet sich bald totes Narbengewebe. Da Fett den Cholinbedarf steigert, wird damit die Krankheit schlimmer. Ein entsprechender Vitaminmangel führt zwar auch zu einem Leberschaden, aber lange bevor es dazu kommt, sind die Nieren schon geschädigt.

Bei einer ausreichenden Proteinversorgung kann sich aus Methionin Cholin bilden, wenn diese Aminosäure nicht zum Synthetisieren neuen Körpergewebes gebraucht wird und die Nahrung ausreichend Vitamin B12 und Folsäure enthält. Die Erfordernisse des Wachstums haben indes Vorrang; darum ist es das hübsche, schnell wachsende Kind, das an Nephritis erkrankt. Wenn die Krankheit das Wachstum genügend verlangsamt, so daß der Proteinbedarf entsprechend sinkt, kann noch genügend Methionin in Cholin umgesetzt werden, so daß das Kind genesen kann.

Auch der Mangel an anderen Nährstoffen kann das Nierengewebe zerstören. Bei Tieren aller Art, einschließlich Insekten, kommt es zu Nephritis, wenn essentielle Fettsäuren fehlen. Dazu kommt, wie wir gesehen haben, daß diese essentiellen Fettsäuren, die Bestandteil der Zellstruktur sind, zerfallen, wenn sie nicht durch Vitamin E vor Sauerstoff geschützt werden. Tiere, die an einem Vitamin-E-Mangel leiden, erkranken aus diesem Grund an Nephritis. Die Blutgefäße werden brüchig, rote Blutkörperchen und Protein, die viel zu groß sind, als daß sie durch gesunde Blutgefäßwände dringen könnten, treten aus und gehen im Urin verloren.

Wenn kleine Kinder, bei denen die Gefahr einer akuten Nierenentzündung droht, 300 bis 400 Einheiten Vitamin E bekommen und gleichzeitig optimal ernährt werden, sinkt ihr Blutdruck rasch ab, die Flüssigkeit wird nicht mehr zurückgehalten und im Urin findet sich kein Blut und Albumin mehr. Statt daß die Krankheit fünf Jahre dauert, wie das oft der Fall ist, waren die meisten der so behandelten Kinder nach einer Woche wieder gesund.

Noch weitere Nährstoffe sind wichtig. Tiere erkranken auch bei einem Magnesiummangel an Nephritis und lagern große Mengen Kalzium im Nierengewebe ab. Wenn gleichzeitig Vitamin B6 fehlt, wird der Schaden weitaus schlimmer, die Nieren bilden ein Narbengewebe, das keinen Urin mehr bilden kann. Dazu kommt, daß sich bei einem Vitamin-B6-Mangel oxalsaure Nierensteine bilden, die sich bei Kindern tödlich auswirken können.

Wenn die Nieren so geschädigt sind, daß Blut verloren wird, können alle Nährstoffe im Urin austreten, nicht nur Protein, sondern auch Vitamin A, C, der B-Komplex und auch alle Mineralstoffe. Wenn die Nährstoffzufuhr nicht sofort erhöht wird, kommt es durch diese Verluste bald zu vielfachen Mangelerscheinungen, wodurch die Krankheit sich schnell verschlimmert und immer mehr Blut, Albumin und Nährstoffe werden ausgeschieden. Solchermaßen kann es beispielsweise zu einem schweren Vitamin-A-Mangel kommen, die abgestorbenen Zellen klemmen sich im Harnleiter ein, wenig Urin kann sich bilden und die Schlackenstoffe können nicht ausgeschieden werden.

Was auch immer die Ursache der Nephritis ist, die Nährstoffzufuhr sollte von dem Augenblick der Diagnose an dem gesteigerten Bedarf entsprechend erhöht werden. Das wichtigste Ziel bei dieser Ernährung ist eine ausreichende Proteinzufuhr, eingeschränkter Salzverbrauch und eine reichliche Kalorienaufnahme.

Wird die Ernährung unverzüglich den Bedürfnissen angepaßt, ist die Besserung des Gesundheitszustands oft spektakulär. Schon oft habe ich von Eltern gehört, daß sich ihr Kind in wenigen Tagen von einer Nierenentzündung erholt hat, nachdem seine Kost um alle essentiellen Nährstoffe ergänzt worden war. Bei manchen dieser Kinder war bereits die Dialyse notwendig geworden. Die Krankheit scheint um so schwerer zu verlaufen, je länger die Eltern mit der verbesserten Ernährung warten.

Zöliakie

Bei dieser Krankheit verschlimmert sich die Diarrhöe so, daß sich Teile der Darmwände wirklich ablösen und der Stuhl, schaumig wie geschlagenes Eiweiß, in die Toilette fließt. Diese Symptome werden durch eine heftige Allergie gegen Gluten verursacht, ein Protein, das in Weizen und einigen anderen Getreidesorten enthalten ist. Eine Allergie gegen andere Proteine, die etwa in Milch, Eiern, Rindfleisch, Nüssen oder Gemüse enthalten sind, kann ähnliche Symptome hervorbringen, wie sie für Zöliakie typisch sind, werden aber nie so heftig wie bei einer Allergie gegen Gluten. Wenn ein derart erkranktes Kind keine weizen-, roggen-, hirse-, mais- oder gerstehaltige Nahrung bekommt, hört der Durchfall auf. Sojakuchen, Sojabrot und ungeschälter Reis bieten Ersatz für die fehlenden Getreide. Die Krankheit ist allerdings dann noch nicht geheilt und es kommt wieder zu Durchfall, sobald Gluten verzehrt wird.

Die Ursache für die Allergie ist noch nicht geklärt. Zöliakie kann auch bei Schizophrenie eine Rolle spielen. Dr. F. Curtis Dohan hat erstmals dargelegt, daß die für Zöliakie typischen psychischen Symptome denen von Schizophrenen gleichen. Da Schizophrenie heute erfolgreich mit dem B-Vitamin Nikotinamid in übergroßer Dosierung behandelt wird und da ein Niacinmangel schweren Durchfall verursacht, kann es sein, daß an Zöliakie erkrankte Kinder einen ungewöhnlich hohen Bedarf an diesem Vitamin haben. Wenn ich Diätpläne für solche Kinder aufzustellen hatte, habe ich besonderen Wert auf alle Nährstoffe gelegt, die bekanntermaßen nützlich bei der Bekämpfung von Allergien sind, und 500 mg Nikotinamid nach jeder Mahlzeit empfohlen. Bei diesen Kindern schien das ungewöhnlich gut anzuschlagen. Außerdem rate ich immer dazu, die tägliche Dosis Nikotinamid in der Pubertät zu erhöhen.

Zystische Fibrose

Zystische Fibrose ist eine angeborene Drüsenkrankheit, die die Bauchspeicheldrüse, das Atemwegsystem und die Schweißdrüsen befällt. Ein Kind, dessen Eltern Krankheitsträger sind, erkrankt in einem von vier Fällen an der rezessiv vererbten zystischen Fibrose. Krankheitsträger sind vor allem Kaukasier. Die oft tödlich verlaufende Krankheit ist gekennzeichnet von Diarrhöe, der Unfähigkeit zur Resorption von Fett und der Ablagerung großer Mengen von Narbengewebe in der Bauchspeicheldrüse. Kinder, die an zystischer Fibrose erkrankt sind, leiden sehr bald an einem Mangel an Vitamin A, E, D und K. Außerdem ist die Bildung des Narbengewebes charakteristisches Merkmal eines Vitamin-E-Mangels, obwohl die Bauchspeicheldrüse, wenn die Krankheit erstmals diagnostiziert wird, noch gesund sein soll. Die gesunde Bauchspeicheldrüse produziert die zur Verdauung aller Nährstoffe nötigen Enzyme, wobei Narbengewebe keine Enzyme synthetisieren kann. Durch die anhaltende Diarrhöe, die unvollständige Verdauung und die Malabsorption werden so viele Nährstoffe ausgeschieden, daß es rasch zu vielfältigen Mangelerscheinungen kommt und der Bedarf an allen Nährstoffen in die Höhe schnellt.

Der Vitamin-E-Gehalt im Blut der an zystischer Fibrose erkrankten Kinder sinkt weit unter Normalwert, die roten Blutkörperchen sterben ab und schwere Vitamin-E-Mangelerscheinungen sind erkennbar. Kinder, die an dieser Krankheit litten, bekamen 300 bis 1500 I. E. Vitamin E, meist aber erst lange nach dem Ausbruch der Krankheit, wenn sie nur mehr wenig oder kein Vitamin E mehr resorbieren können.

Die Nährstoffzufuhr muß verbessert werden, sobald die Diagnose gestellt ist. Um die Verdauung zu gewährleisten, werden ein halber Teelöffel Enzyme in flüssiger oder pulverisierter Form zu jeder Mahlzeit in die Speisen gegeben. Die Speisen werden mit etwas Öl angemacht oder darin gekocht, da das Öl besser resorbiert wird als feste Fette. Da Vitamin A, D und E auch gut über die Haut resorbiert werden, kann man jeden Tag ein Konzentrat dieser Vitamine in die Haut reiben. Die Entwicklung der zystischen Fibrose hängt davon ab, wie stark die verschiedenen Systeme betroffen sind und ob es zu Komplikationen kommt. Etwa 3/4 der Patienten, bei denen die Krankheit in der frühen Kindheit diagnostiziert wurde und die entsprechend behandelt werden, erreichen das Erwachsenenalter.

Bei unbekannten Krankheiten

Ich bekomme Dutzende von Briefen von verzweifelten Eltern, die besagen, daß ihr Kind an irgendeiner seltenen Krankheit leidet, die ich nicht erwähnt habe. Praktisch ist es aber immer so, daß es keine Forschungsergebnisse darüber gibt, wie sich die Ernährung auf diese spezifischen Krankheiten auswirkt.

Die Tatsachen, die man im Auge behalten muß, sind, daß die Nährstoffe, die für einen guten Gesundheitszustand nötig sind, immer die gleichen bleiben, egal, wie die Diagnose lautet oder welcher Art die gesundheitliche Störung ist; jede Krankheit bedeutet Belastung für den Körper, wodurch sich unmittelbar der Nährstoffbedarf in jeder Hinsicht erhöht; und je schneller man die Nährstoffzufuhr verbessert, desto größer ist die Chance, zu genesen. Wenn es heißt, daß eine Krankheit »unheilbar« ist, bedeutet das nicht, daß sie nicht geheilt werden kann, sondern daß man heute noch nicht weiß, wie sie behandelt werden muß. Da kranke Kinder meist nicht gut ernährt sind, ist der Wert einer ausgezeichneten Ernährung bei der Behandlung von Krankheiten bislang noch unerprobt.

Quelle: Adelle Davis: „Wir wollen gesunde Kinder“, Originaltitel: „Let’s have healthy children“ – Das Buch ist in Deutschland leider nicht mehr erhältlich.

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