Biotina


Muttermilch

von gleichbleibend hoher Qualität

Eine berühmte Anthropologin, die über Naturvölker in aller Welt gearbeitet hat, die verstorbene Dr. Margaret Mead, sagte, daß sie nie von einer Eingeborenen gehört habe, die ihr Kind nicht stillen konnte. Es scheint demnach, als könne jede Brust ihre Funktion erfüllen.

Mehr als von allem anderen hängt der Erfolg beim Stillen davon ab, wie häufig das Kind saugen darf. Ärzte, die für das Stillen eintreten, sind sich darin einig, daß man das Neugeborene sofort nach der Geburt anlegen muß, selbst wenn die Mutter noch im Kreißsaal liegt. Je häufiger man stillt, desto stärker ist der Milchfluß.

Das Saugen ist einer der wichtigsten Faktoren zur Stimulierung des Milchflusses. Alles, was dem Säugling die Lust am Saugen nimmt, kann dazu führen, daß man ihn nicht mehr stillen kann. So hemmt zum Beispiel das Zuckerwasser, das den Kindern in der Klinik häufig gegeben wird, den Appetit und macht sie so schläfrig, daß sie nicht mehr kräftig saugen wollen. Außerdem neigen Neugeborene nach der Geburt zu vorübergehender Hypoglykämie. Wenn sie mit Glukose gefüttert werden, steigt der kindliche Blutzuckerspiegel sofort an und strapaziert seine unreife Bauspeicheldrüse. Die erste Nahrung, die die Natur für das Kind bereithält, ist das Kolostrum, die Vormilch. Diese Milch enthält bemerkenswert wenig Laktose und viel Protein. Weisen Sie Ihren Geburtshelfer oder Kinderarzt darauf hin, unter allen Umständen eine solche Glukosefütterung zu verhindern. Mütter, die sich um ihre Stillfähigkeit nicht zu sorgen brauchen, sind glückliche, entspannte, unbekümmerte Wesen, die sich auch von der Hausarbeit nicht die Ruhe rauben lassen. Wen stört es, wenn Dreck unter das Bett gekehrt wird oder vorübergehend Papierservietten benutzt werden? Eine überlastete, ungeduldige oder mißgelaunte Mutter läßt ihrem Kind viel zu wenig Zeit, den Milchfluß anzuregen.

Jeder Säugling sollte natürlich seinen Bedürfnissen entsprechend gefüttert werden und die Brust bekommen, wann immer er hungrig ist. Die Säuglinge nehmen dann besser zu, schreien viel seltener, sie und die Eltern sind entspannter und bald pendelt sich von selbst ein drei- bis vierstündiger Rhythmus in den Mahlzeiten ein.

Häufiges Stillen zahlt sich aus

Als ich die Erstausgabe dieses Buches schrieb, berief ich mich auf medizinische Fachliteratur, der, wie ich befürchtete, kein Mensch Glauben schenken würde; ich bin mir nicht sicher, ob ich selbst so ganz daran glaubte. In einem Bericht ging es um Mundugumor-Frauen in Neuguinea. Viele dieser Frauen adoptierten Säuglinge und konnten dadurch, daß sie sie nach Wunsch saugen ließen, so viel Milch produzieren, daß sie sie voll stillen konnten, obwohl sie selbst nie schwanger gewesen waren. Der andere Bericht handelte von Bauersfrauen in Sizilien, die ebenfalls stillen konnten, obwohl sie selbst nie schwanger gewesen waren.

Ich habe inzwischen selbst mit zwei Amerikanerinnen gesprochen und mit drei anderen korrespondiert und von weiteren Frauen in dem Nachrichtenmagazin der La Leche Liga gelesen, die ihre Adoptivkinder gestillt haben. Einige hatten früher schon eigene Kinder gestillt, aber die meisten waren nie in ihrem Leben schwanger gewesen. Mit einer Engelsgeduld hatten diese Frauen ihre Säuglinge saugen lassen und dabei in einem Topf mit warmem Wasser neben sich eine Tasse Säuglingsnahrung warmgehalten, die sie immer dann, wenn der Säugling anscheinend nicht mehr weitersaugen wollte, mit einer Spritze auf die Brustwarzen träufelten. Meist dauerte es 10 bis 14 Tage, bis ihre Milch einschoß. Der Milchfluß wurde dann immer stärker und die Säuglingsnahrung konnte bald abgesetzt werden. Eine Frau, die nie schwanger gewesen war, erzählte mir, daß sie nach dem ersten Monat 1,1 Liter Milch täglich produzierte und daß sie weiterhin reichlich Milch hatte, bis das Kind schließlich mit 2 Jahren entwöhnt war.

Dasselbe Verfahren wandten einige Frauen an, die ihre Babys nicht von Anfang an gestillt hatten, sich später aber dann doch noch dazu entschlossen hatten. Darunter waren Frauen, die überzeugt waren, nicht stillen zu können, weil man ihnen im Krankenhaus Medikamente gegen den Milchfluß gegeben hatte (diese Mittel verhindern einen unangenehmen Milchandrang, bringen die Milch aber nicht zum Versiegen). Darunter waren auch Frauen, die Frühgeburten hatten und deren Kinder im Brutkasten waren, Frauen, die wegen eines Kaiserschnitts, einer Venenentzündung oder anderer Krankheiten ihre Kinder nicht von Anfang an stillen konnten. In vielen dieser Fälle kann man die Milch täglich manuell abdrücken und sie dem Säugling sofort geben oder für später einfrieren.

Ich habe mit vielen Müttern gesprochen, die wirklich stillwillig waren, deren Milch aber schnell versiegte, als die Säuglinge Beikost bekamen. Ich konnte sie dazu überreden, die Beikost wieder abzusetzen und die Kinder ausschließlich mit ihrer Milch zu ernähren. Sie sollten das Kind jederzeit, wenn es hungrig war, stillen. Nach drei Tagen, die kaum Raum für etwas anderes als das Stillen ließen, hatte jede Frau wieder so viel Milch, wie ihr Kind brauchte. Nicht selten können Säuglinge eine wie die andere Säuglingsnahrung nicht vertragen, es kommt zu Verdauungsstörungen oder Allergien. Auch wenn das Kind dann schon vier oder fünf Monate alt sein sollte und bislang noch nie gestillt worden war, kann die Mutter den Milchfluß noch stimulieren, wenn sie es will. Aus den Mitteilungen der La Leche Liga kann man entnehmen, daß viele wirklich bewundernswerte Frauen problemlos Zwillinge voll stillen können, ohne zufüttern zu müssen, und daß auch andere Frauen zwei Babys gleichzeitig stillen, die nicht Zwillinge sind.

Häufiges Stillen trägt dazu bei, daß die Milch reichlich fließt. Es ist Sache der Mutter, auch darauf zu achten, daß die Milch qualitativ gut ist.

Qualitätsverbesserung

Da die Qualität der Muttermilch von der Ernährungsweise der Mutter abhängt, ist sie nicht in jedem Fall qualitativ besser als eine sorgfältig zusammengestellte Flaschennahrung. Änderungen in den Ernährungsgewohnheiten können das Gesamtvolumen der Milchproduktion beeinflussen, aber eine nur leicht erhöhte Aufnahme von Protein, Kohlehydraten, Fett und Kalzium mit der Nahrung garantiert noch nicht, daß diese Nährstoffe auch in die Frauenmilch gelangen.

Ich habe schon oft von amerikanischen Frauen gehört, daß sie mit dem Stillen aufgehört haben, weil ihre Milch so dünn und bläulich war, daß ihre Kinder nicht entsprechend zunehmen konnten, und daß ihnen der Kinderarzt erklärt habe, ihre Milch sei qualitativ schlecht. Außer der Vormilch ist gute Muttermilch immer dünnflüssig. Der Vitamin B2-Gehalt verleiht ihr den bläulichen Schimmer. Im Vergleich zu den pummeligen Babys, die mit stark gezuckerter Flaschennahrung gefüttert werden — den späteren Dicken — nimmt ein Brustkind tatsächlich langsamer zu. Aber diese langsamere Gewichtszunahme ist normal und gesund, obgleich sie den Kinderärzten, die den Anblick wirklich gesunder Säuglinge nicht gewohnt sind, oft Sorge bereitet. Wenn sich die Mutter vernünftig ernährt, ist die Qualität ihrer Milch gut.

Je mehr Protein, ungesättigte Fettsäuren, Minerale und Vitamine in der mütterlichen Nahrung enthalten sind, desto höher ist der Anteil dieser Nährstoffe in der Muttermilch. Wenn die Mutter beispielsweise ein Vitamin B6-Präparat nimmt, enthält ihre Milch etwa viermal so viel Vitamin B6 wie sonst. Genauso steigt der Vitamin-A-Gehalt ihrer Milch erheblich, wenn sie täglich 25 000 I.E. Vitamin A nimmt; eine kleinere Dosis bleibt allerdings fast wirkungslos. Sie braucht täglich mindestens 300 mg Vitamin C, wenn sie den Minimalbedarf des Kindes an Vitamin C decken will. Der Vitamin-D-Gehalt der Muttermilch hängt offenbar davon ab, wieviel Sonne die Mutter abbekommt. Brustkinder sind selten rachitisch. Das meiste Vitamin D in der Frauenmilch ist in Form einer wasserlöslichen Verbindung von Vitamin D und Sulfat enthalten.

Im Unterschied zur Kuhmilch, die wenig oder kein Vitamin E und nur minimal Vitamin K enthält, findet sich beides reichlich in der Muttermilch, wenn die Mutter sich entsprechend vitaminreich ernährt bzw. wenn die Bakterien in ihrer Darmflora Vitamin K synthetisieren können. Manchmal ist in der Frauenmilch kein Vitamin K; wenn die Frau dann aber Kohl (vorzugsweise als Krautsalat) oder Spinat ißt, die beiden besten Vitamin-K-Quellen, oder reichlich Joghurt verzehrt, gelangt dieses Vitamin auch wieder in ihre Milch. Der Vitamin-E-Gehalt der Milch entspricht proportional den Mengen, die die Mutter zu sich nimmt, allerdings nur, wenn sie Eisensalze meidet. Das in Leber, in Eiern, Hefe und Weizenkeimen enthaltene Eisen kann das Vitamin E nicht angreifen.

Im allgemeinen enthält Frauenmilch zu wenig Vitamin B, um den Bedarf des Kindes voll zu decken; der Bedarf der Mutter scheint hier gegenüber dem ihres Kindes vorrangig zu sein. Wenn die stillende Mutter täglich Hefe, Weizenkeime oder Leber verzehrt, kann sich indessen der Vitamin-B-Gehalt ihrer Milch, und hier besonders der Anteil an Biotin, Inositol und Pantothensäure, deutlich erhöhen. Die sichersten Vitamin-B-Quellen für das Brustkind sind die Darmbakterien, die diese Vitamine synthetisieren. Laktose (aus der Muttermilch) regt im kindlichen Darm das Wachstum von Mikroorganismen an, die viele der B-Vitamine synthetisieren.

Weder die Frauen- noch die Kuhmilch enthält viel Eisen. Das Eisen aus der Muttermilch wird aber wesentlich besser resorbiert als das Eisen aus der Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis. Das Eisen in der Frauenmilch reicht aus, den Eisenbedarf eines termingerecht geborenen, ausschließlich gestillten Säuglings zu decken, bis er etwa dreimal so viel wie zur Geburt wiegt.

Die Muttermilch enthält generell nur die Nährstoffe, die die Mutter mit der Nahrung aufnimmt. Kalzium und Phosphor sind Ausnahmen, weil sie ihren Knochen entzogen werden können. Nach Dutzenden von Untersuchungen liegt bei den meisten stillenden Müttern eine sogenannte Kalziumimbalanz vor; das bedeutet, daß sie mehr Kalzium mit der Muttermilch, im Urin und Stuhl ausscheiden, als sie mit der Nahrung aufnehmen. Das Defizit wird mit Kalzium ausgeglichen, das ihren Knochen entzogen wird. Wenn die Mutter aber in Form von Milch, Käse und Kalziumpräparaten mit ausreichend Kalzium versorgt wird, schützt sie ihre Zähne und Knochen und auch der Anteil von Kalzium in ihrer Milch steigt geringfügig. Der Kalziumbedarf ist zu keiner Zeit höher als in der Stillzeit. In den meisten Fällen sind Kalziumpräparate unerläßlich.

Der Verzehr von raffiniertem Mehl und Zucker läßt den Gehalt von gesättigten Fettsäuren in der Frauenmilch steigen und verändert das Verhältnis von kurzen und mittellangen Fettsäureketten zu langen Fettsäureketten. Bei kleinen Ratten, die von Muttertieren gesäugt wurden, deren Milch einen hohen Anteil an kurzen und mittellangen Fettsäureketten aufwies, war die Sterblichkeitsrate höher, das Längenwachstum kleiner und die Zahl der Gehirnzellen geringer.

In der Stillzeit ist der Nährstoffbedarf der Mutter noch etwas höher als in der Schwangerschaft. Müdigkeit, Launenhaftigkeit und Depressionen lassen auf Vitamin-B-Mängel schließen und können ein Anzeichen dafür sein, daß der Bedarf an Vitamin B durch das Stillen gestiegen ist. Der Kalzium- und Proteinbedarf liegt um mindestens 50 g täglich höher. Der Körper braucht immer noch jeden Tag etwa 3 Liter Flüssigkeit. Mit täglich einem Liter oder mehr frischer Vollmilch oder auch dem »Muntermacher« kann man Flüssigkeit und Kalzium aufnehmen und gleichzeitig den Protein- und Vitamingehalt der Muttermilch erhöhen.

Für Schwangerschaft und Stillzeit braucht es viel mehr Energie als nur für die Erhaltung des status quo. In einer hervorragenden Untersuchung über die Fortpflanzung von Nagetieren fand Kaczinarski heraus, daß der Kalorienbedarf der Tiere während des Austragens um 20 Prozent und während des Säugens um 90 Prozent über dem Normalbedarf liegt. Nach Ansicht des National Research Council brauchen schwangere Frauen täglich 300 Kalorien und stillende Frauen täglich 500 Kalorien mehr als sonst. Die FAO der Vereinten Nationen hält für die Stillzeit zusätzliche 1000 Kalorien pro Tag für sinnvoll.

Daß Bier den Milchfluß stimulieren soll, ist durchaus richtig; allerdings darf die Bierhefe nicht ausgefiltert sein. In dieser Form ist es ein guter Lieferant für Vitamin B, Eiweiß und Flüssigkeit. Biere, die die Hefe noch enthalten, sind das sogenannte Hefeweizenbier und einige Keller- und Flaschengärungen. Wenn man nicht allergisch dagegen ist, kann man als Ersatz für Bier aus alter Brautradition auch Nährhefe nehmen, die zu 48 Prozent aus Eiweiß besteht, Vitamin B enthält und gewöhnlich mit Flüssigkeit konsumiert wird. Vor Jahren wohnte ich in der Nähe einer jungen Frau, die sich mit dem Verkauf ihrer Milch an ein Krankenhaus etwas dazu verdiente. Wenn sie jeden Tag drei gehäufte Eßlöffel Hefe verzehrte, hatte sie über den Bedarf ihres eigenen Kindes hinaus einen Liter Milch oder mehr für den Verkauf übrig. Sie verabscheute aber den Geschmack von Hefe und konnte sich manche Tage einfach nicht dazu überwinden. Am folgenden Tag hatte sie dann regelmäßig gerade genug Milch für ihr eigenes Kind.

Sobald man mit dem Zufüttern anfängt, bildet sich weniger Milch. Schon viele Untersuchungen haben gezeigt, daß man nichts damit gewinnt, wenn man zufüttert, bevor das Kind sechs Monate alt ist.

Schadstoffe in der Muttermilch

Die Wissenschaftler sind sich einig, daß der Nachweis von DDT in der Muttermilch kein Grund sein darf, das Kind auf synthetische Flaschenmilch zu setzen. Entsprechende Berichte, daß in der Muttermilch mehr DDT als in der Kuhmilch enthalten sei, verursachten unter werdenden Müttern große Aufregung. Daß der Schadstoffgehalt von Frauenmilch größer als der von Kuhmilch ist, überrascht nicht, nachdem die Pestizide um so konzentrierter auftreten, je höher man die Nahrungskette hinaufgeht; das heißt: Fleischesser nehmen mehr DDT auf und speichern mehr DDT als Pflanzenfresser.

Selbst wenn in einigen Landstrichen der Schadstoffgehalt ungewöhnlich hoch ist und der Arzt die Mütter vor dem Stillen warnt, ist das nicht unbedingt ein Grund, sich davon abhalten zu lassen. Nach 7 in der Sowjetunion und 12 in anderen europäischen Ländern veröffentlichten Berichten kam W.R. Ritcey zu dem Ergebnis, daß sich die Situation in den Vereinigten Staaten nicht von der in anderen Ländern unterscheidet. Wenn Sie Angst haben vor zu hohen Schadstoffkonzentrationen in Ihrer Milch, können Sie den Anteil bis zu einem gewissen Grad dadurch reduzieren, daß Sie vor und in der Stillzeit den Verzehr von tierischen Fetten einschränken. Man sollte sich vor fetten Fleischstücken hüten und versuchen, eher Fleisch von Tieren zu bekommen, die mit Gras statt Getreide gefüttert worden sind. Dieses Fleisch ist oft billiger und zäher, weil es weniger Fett enthält. Es gibt auch fettarme Milchprodukte wie Magermilch, Frischkäse und Joghurt. Um den Verlust an tierischen Fetten auszugleichen, muß man dann stärker auf Pflanzenfette zurückgreifen, so zum Beispiel Pflanzenöl, Avocados, Nüsse und Samen. C. Aubert beschreibt eine Studie über Frauen, die sich 6 Jahre lang primär vegetarisch ernährten, wobei sie besonderen Wert auf unbehandelte, organische Nahrungsmittel legten. Die Milch dieser Frauen enthielt halb so viel Schadstoffe wie die Milch von Frauen, die sich nicht vegetarisch ernährt hatten.

Die bekanntermaßen schädlichen Kohlenwasserstoffe aus der Industrie sind in Küstennähe von Süß- und Salzwassergebieten konzentriert. Insofern ißt man am besten solche Meeresfische, die sich nicht in Küstennähe aufhalten, wie beispielsweise Kabeljau oder Schellfisch.

Hüten Sie sich in der Stillzeit vor strengen Diäten, die die Schadstoffe aus den Fettreserven freisetzen würden.

Die Ernährung in der Stillzeit

Solange Sie stillen, können Sie sich wie in der Schwangerschaft ernähren, außer daß Sie jetzt täglich 500 bis 1000 Kalorien zusätzlich und 50 g mehr Protein brauchen. Essen Sie so viel Leber, Weizenkeime und Hefe, wie Sie vertragen können. Trinken Sie jetzt täglich 1 1/2 Liter Vollmilch oder besser noch, Sie mixen sich einen »Muntermacher« und reichem ihn pro Liter mit einer halben Tasse Magermilchpulver an. Dem »Muntermacher« kann man pro Tag noch einen Teelöffel Inositol zugeben. Wenigstens bis die Milch gut fließt, trinken Sie jedesmal, wenn Sie das Kind stillen, ein kleines Glas »Muntermacher«. Speiseplan und Zusatzpräparate bleiben sich gleich, nur die Kalziumzufuhr muß auf 3000 mg täglich erhöht werden. (Entsprechend steigt natürlich auch der Magnesiumbedarf). Nach jeder Mahlzeit und Zwischenmahlzeit nehmen Sie zwei oder drei Tabletten eines Kalzium-Magnesium-Präparates und dazu noch vor dem Schlafengehen ein Glas Vollmilch oder »Muntermacher«.

Als stillende Mutter, die sich um den Haushalt und möglicherweise auch noch um andere Kinder kümmern muß, ist Ihr Kalorienbedarf vergleichbar mit dem eines Schwerarbeiters. Bei einer zu geringen Kalorienzufuhr kann die Milch weniger werden und Nahrungsproteine wie Körperproteine werden einfach als Kalorien verbrannt. Die Tatsache, daß der Kalorienbedarf hoch ist, darf allerdings nicht als Vorwand dafür herhalten, wertloses Zeug zu naschen. Alles, was man ißt, soll der Gesundheit dienen. Wenn Sie Lust haben, können Sie zu den Mahlzeiten mehr Vollkornbrot und Butter essen. Stellen Sie sich ruhig ein Schälchen mit ungesalzenen Nüssen in die Nähe und knabbern Sie sie während der Hausarbeit. Zu den Zwischenmahlzeiten kann man auch noch Käse, frisches Obst, einen Apfel oder eine Banane, essen. Auf dem Tisch steht ein Glas Saft mit Hefe oder ein Glas »Muntermacher«, und jedesmal, wenn man daran vorbeikommt, kann man einen Schluck daraus trinken.

Wie man bei Schwierigkeiten über den Berg kommt

Die meisten Mütter stellen fest, daß ihr Milchfluß nachläßt, wenn sie nicht genug zur Ruhe kommen, wenn sie seelischen Belastungen ausgesetzt sind oder zu viel Verwandte auf Besuch kommen. Wenn Sie merken, daß das Kind nicht mehr satt wird, müssen Sie es einfach öfter stillen und ihm jedesmal beide Brüste geben. Auf keinen Fall darf man jetzt mit Flaschen- oder Festnahrung beginnen, das wäre der Anfang vom Ende des Stillens.

Wenn Sie bislang genug Milch gehabt haben, fließt Ihre Milch mit größter Wahrscheinlichkeit bald wieder gleich stark, wenn Sie immer etwas trinken, sobald Sie Durst verspüren.

Die erwachsene Frau braucht etwa 900 Kalorien, um einen Liter Milch zu produzieren. Abgesehen davon, was an zusätzlicher Energie nötig ist, braucht die Mutter zum Stillen etwa 20 g mehr Protein pro Tag. Mit drei bis 2 1/2 Tassen Vollmilch zusätzlich deckt sie diesen Proteinbedarf. Joghurt, Eis und Käse, die man auch an Stelle von Milch nehmen kann, werden gewöhnlich auch von Milchallergikern vertragen. Zur Deckung des erhöhten Bedarfs an Vitamin C, Vitamin E und Folsäure nimmt man täglich Zitrusfrüchte und Fleisch oder ähnliches und Pflanzenöl.

Ruhe und Schlaf

Die meisten Mütter meinen, daß ihre Milch versiegt, weil sie zu hart gearbeitet haben, übermüdet waren und vielleicht nicht zum Schlafen kamen. Bei richtiger Ernährung kann eine Frau aber erstaunlich viel körperlich leisten, ohne daß ihre Milch weniger wird. Meine junge Freundin, die ihre überschüssige Milch verkaufte, war ein solcher Fall. Sie ging täglich in Privathaushalten putzen, eine Zeitlang putzte sie auch bei mir. Frühmorgens kam sie mit ihrem Baby und ihren sterilen Fläschchen an; wenn sie nicht gerade stillte oder ihre Milch abpumpte, schrubbte sie die Böden, putzte die Fenster und erledigte jede schwere Hausarbeit. Sie hatte die ganze Zeit über reichlich Milch für ihr eigenes Kind und, wenn sie Hefe aß, so viel Milch übrig, daß sie sie verkaufen konnte.

Die Pionierfrauen, die viele Kinder hatten und alle stillten, hatten auf keinen Fall weniger Arbeit als die Frauen heute. Daß sie keine Probleme mit dem Stillen hatten, lag zum großen Teil daran, daß sie keine denaturierten Nahrungsmittel bekamen. Wenn Obst und Gemüse knapp waren, ernährten sie sich hauptsächlich mit Fleisch und Brot und Müsli aus Vollkorngetreide.

Je schwerer man arbeitet und je weniger man schläft, desto höher ist der Vitamin-B-Bedarf. Der Bedarf an diesen Vitaminen steigt proportional zum Energieverbrauch. Da der Bedarf an Vitamin B in der Stillzeit sowieso schon sehr hoch ist, kann sich ein geringfügiger Mangel schon sehr bald durch Müdigkeit oder eine Abnahme der Milchproduktion bemerkbar machen.

Viel Ruhe ist natürlich ganz wesentlich. Wenn Sie dem Kind die Brust geben, legen Sie sich am besten ins Bett. Lassen Sie Hausarbeit Hausarbeit sein und halten Sie sich an Mahlzeiten, die schnell zubereitet sind. Verwandte, über die Sie sich ärgern, sollten Sie schnellstmöglich los werden. Und haben Sie ein taubes Ohr für alle Ratgeber, die Ihr Selbstvertrauen untergraben! Je mehr Ruhe Sie haben, desto weniger Vitamin B brauchen Sie, desto mehr Milch ist abends noch über zum letzten Stillen, und desto früher schläft das Kind fest durch.

Rissige Brustwarzen, wunde Brüste und Brustentzündungen

Wenn Sie feststellen, daß eine Brust ein bißchen gerötet ist, müssen Sie sich sofort an Ihren Arzt wenden. Die im Beirat der La Leche Liga vertretenen Kinderärzte empfehlen, daß man bei gerissenen Brustwarzen, einer Entzündung, Infektion oder einem Abszeß das Baby so häufig. stillt, daß es sanfter saugt. Diese Ärzte weisen darauf hin, daß relativ wenig passieren kann, wenn das Baby bei gerissenen Brustwarzen möglicherweise Blut schluckt. Wichtig ist auch der Hinweis darauf, daß eine Verhärtung oder Entzündung der Brust, ein Abszeß oder eine Infektion in den meisten Fällen auf eine unvollständige Entleerung des Milchdrüsenganges zurückzuführen ist; das geht gewöhnlich in zwei bis drei Tagen wieder zurück, wenn die Brust beim Stillen vollständig entleert wird. Wenn man nun dem Kind die Brust aber nicht mehr gibt, bleibt der Milchdrüsengang verstopft und es kann zu einer wochenlangen schmerzhaften Infektion kommen. Welcher Art aber auch die Komplikationen oder Infektionen sein mögen, ist es in allen Fällen wichtig, unverzüglich auf eine hochwertigere Ernährung umzustellen.

Am schnellsten erholt man sich, wenn man wenigstens drei Tage lang rund um die Uhr nach dem Antistreß-Programm lebt und damit von dem Tage an beginnt, an dem sich die ersten Symptome zeigen. Gewöhnlich bessern sich die Beschwerden so schnell, daß es nicht nötig ist, das Stillen zu unterbrechen.

Wunde Brustwarzen (oder das Baby) sollte man auf keinen Fall mit Mineralöl behandeln, das im Handel oft unter der Bezeichnung »feines Babyöl« vertrieben wird. Das Baby könnte das Öl schlucken, wodurch ihm Vitamin A, D, E und K entzogen würden. Pflanzenöle kann man statt dessen gefahrlos benutzen.

Wie lang soll man stillen?

Diese Frage läßt sich einfach beantworten: so lange Sie und Ihr Kind es genießen. Die Dauer ist nicht vorgeschrieben. Eine Woche stillen ist besser als keine; zwei Monate ist noch besser. Ein Kind, das neun bis zehn Monate gestillt wird, kann sich in der Tat glücklich schätzen. Im Idealfall entwöhnt sich das Kind selbst der Brust, was im Alter von einem Jahr der Fall sein könnte. Manche Kinder tröstet es, wenn sie bis zum Alter von drei Jahren etwa einmal täglich gestillt werden. Manche verlieren das Interesse daran, möchten aber wieder manchmal gestillt werden, wenn sie ein Geschwisterchen bekommen. Eine Umfrage, die etwa 22 000 Kleinkinder in amerikanischen Städten erfaßte und zwischen 1911 und 1916 durchgeführt worden war, ergab, daß 58 Prozent der Kinder noch mit einem Jahr die Brust bekamen. Bei Naturvölkern findet die Entwöhnung im allgemeinen im Alter von zwei oder drei Jahren statt. Ich meine: Stillen Sie Ihr Kind, so lange Sie wollen; es geht niemanden etwas an außer Sie selbst.

Ein auffallender Charakterzug selbstentwöhnter Kinder ist ihre frühe Unabhängigkeit; sie suchen nicht ständig nach Beachtung von Erwachsenen und sind erstaunlich selbstgenügsam. Ihre emotionalen Bedürfnisse sind gestillt, so daß ihr Interesse auf andere Dinge gerichtet ist.

Stillen soll Freude bereiten

Da Sie wissen, daß Ihr Kind nicht lange klein bleibt, stillen Sie es vielleicht mit um so größerem Genuß. Jedes neue Entwicklungsstadium ist faszinierend, aber die schnuckelige Hilflosigkeit des kleinen Babys, die Wärme und Intimität zwischen Ihnen und Ihrem Kind, die vielen Reize des Säuglingsalters sind unwiederbringlich. Entspannen Sie sich und genießen Sie es, so lange Sie können. Legen Sie sich einen bequemen Schaukelstuhl zu. Egal wie falsch Sie singen, lernen Sie ein paar Wiegenlieder. Sie werden feststellen, daß Sie von diesen Freuden der Mutterschaft ein Leben lang zehren werden.

 Quelle: Adelle Davis: „Wir wollen gesunde Kinder“, Originaltitel: „Let’s have healthy children“ – Das Buch ist in Deutschland leider nicht mehr erhältlich.

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