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Im Überfluß …

Im Überfluß verhungern

Kein Zweifel: Wir leben in einem Schlaraffenland. Die Regale unserer Lebensmittelläden biegen sich – und trotzdem leiden viele Menschen unter einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen.

Die Deutschen essen sich krank. Ernährungsbedingte Krankheiten kosten volkswirtschaftlich gesehen pro Jahr rund 40 Milliarden Euro, haben Wissenschaftler ausgerechnet. Auch die Schuldigen haben die Forscher bereits ausgemacht: Sie rechnen uns vor, wir äßen zu viel, zu fett, zu salzig und zu süß und würden deshalb krank. Das stimmt – aber ihre Argumente greifen zu kurz.

Es macht nicht nur das „Zuviel“ in unserer Nahrung krank, sondern auch das „Zuwenig“. Denn trotz reichhaltiger Kost geraten viele Deutsche ins Defizit: Wichtige Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die der Körper zum Gesundbleiben braucht, kommen zu kurz. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine Lücke: Die empfohlenen Mengen liegen hierzulande nicht immer auf dem Tisch.

Am schlechtesten sind Raucher/innen und Freunde alkoholischer Getränke dran; Hochprozentiges und blauer Dunst sind wahre Nährstoffkiller. Kein Wunder auch, daß rund 20 Prozent der Deutschen nicht genug immunstärkendes Vitamin C bekommen, allein weil sie wahre Obst- und Gemüsemuffel sind.

Neben einseitiger Ernährung wichtigster Grund für den „Mangel im Überfluß“: Die meisten Menschen sind fast den ganzen Tag über körperlich untätig, sitzen vor dem Schreibtisch oder im Auto. Folglich verbrauchen sie auch weniger Energie und müssen weniger essen – dürfen sogar täglich nicht mehr als 2.000 bis 2.500Kalorien zu sich nehmen, weil sonst die Waage nach oben schnellt. Und nicht wenige schnallen den Gürtel noch enger. Das stellt selbst ausgefuchste Ernährungswissenschaftler vor ein Riesenproblem: Je weniger Kalorien wir essen, desto schwieriger wird es, einen Speisezettel zusammenzustellen, der alle lebenswichtigen Inhaltsstoffe liefert, also eine entsprechend hohe „Nährstoffdichte“ hat, wie Fachleute sagen.

Doch auch der ausgeklügeltste Ernährungsfahrplan schützt nicht immer sicher vor einem Mangel. Der Grund: Unsere Nahrung enthält heute nicht mehr so viele Inhaltsstoffe wie noch zu Großvaters Zeiten.

Bei einer Intensivlandwirtschaft, die nur auf Größe und Aussehen von Kirschen, Kartoffeln, Kohlrabi & Co. setzt, bleiben wichtige Inhaltsstoffe zunehmend auf der Strecke. Und damit nicht nur der Geschmack, sondern auch die Nährwerte. Vor allem Magnesium, Selen und Zink zählen zu diesen „Sorgenkindern“, denn jede Pflanze kann nur so gut sein wie der Boden, auf dem sie wächst. Glücklicherweise denken immer mehr Landwirte um und setzen auf ökologischen Landbau statt auf den großzügigen Griff in die „Chemiekiste“.

Auch die Umweltverschmutzung gefährdet unsere Versorgung. Beispielsweise reagieren eine Reihe von Umweltgiften im Boden mit wichtigen Substanzen, die eigentlich die Pflanzen aufnehmen müßten, um gute Vitalstofflieferanten zu sein.

Ein Beispiel: Der saure Regen enthält das Element Schwefel, welches im Boden das Element Selen für die Pflanzen unverfügbar macht. Die Pflanze kann diese Verbindung nicht mehr aufnehmen, ein Selenmangel in unserer Nahrung ist die Folge. Vor allem Vegetarier trifft dies: Denn Schweine bekommen bereits eine Extraportion Selen unters Futter gemischt, die sich dann letztlich auch im Kotelett auf unserem Teller wiederfindet.

Der saure Regen reduziert auch den Magnesiumgehalt der Pflanzen: Er setzt im Boden Aluminium frei, das mit dem dort ebenfalls vorkommenden Magnesium konkurriert – die Pflanzen bevorzugen Aluminium, der Magnesiumgehalt im Gemüse geht deutlich zurück. Um durchschnittlich 18 Prozent, fanden Ernährungswissenschaftler der Universität Gießen heraus. Wer noch mit den „alten“ Werten der gültigen Nährwerttabellen rechnet, muß mittlerweile rund ein Fünftel draufschlagen, damit die Magnesiumbilanz stimmt. Ernährungswissenschaftler vom Schwarzwald-Sanatorium in Obertal wollten es 1996 genauer wissen und untersuchten einen bunten Obst- und Gemüsekorb. Traurige Bilanz: Im Vergleich zur offiziellen Nährwerttabelle des Schweizer Chemiekonzern Geigy von 1985 hatten Apfel, Banane, Brokkoli & Co. mächtig Vitamine und Mineralien abgespeckt.

Denen geht es nach der Ernte noch weiter an den Kragen: Ein angewelkter Salatkopf oder ein müder Blumenkohl aus dem Supermarktregal haben im wahrsten Sinne des Wortes schlapp gemacht – je länger gelagert, umso mehr. Erst im Kochtopf endet die „Gefahrenstrecke“, denn ein langes Bad in Hitze und Wasser mögen weder Vitamine noch Mineralstoffe.

Nicht nur Umweltschadstoffe, falsche Lagerung und langes Kochen – auch Medikamente können wahre Nährstoffräuber sein. Manche Mittel erschweren die Aufnahme, andere wiederum kurbeln die Ausscheidung über die Nieren an.

Kritisch wird es vor allem bei Personen, die häufig und regelmäßig Medikamente benötigen, beispielsweise chronisch Kranke. Vor allem Diabetiker, Menschen mit Fettstoffwechselstörungen, hohem Blutdruck und Rheuma müssen auf eine gute Versorgung achten.

Auch bei bestimmten Krankheiten steigt der Bedarf an unterschiedlichen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. So haben Wissenschaftler herausgefunden, daß beispielsweise Neurodermitikern häufig das Element Zink fehlt. Zink ist wichtig für die Hautregeneration.

Schließlich haben auch Menschen einen deutlich höheren Bedarf an Vitalstoffen, die von ihrem Körper Höchstleistungen verlangen. Das sind in erster Linie Hochleistungssportler, aber auch schwangere und stillende Frauen.

Ernährungswissenschaftler sind sich einig: Ein dauerhafter Mangel an lebenswichtigen Nährstoffen hat schwerwiegende Folgen für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden. Proffessor Dr. Heinz Liesen, Sportmediziner und Spezialist für Ernährungsfragen: „In Untersuchungen haben wir bei 35-50% der 20-50jährigen eine eindeutige Mangelversorgung festgestellt.“ Immerhin benötigen wir rund 50 Nährstoffe. Erst das richtige Zusammenspiel hält gesund und fit, ähnlich einem Orchester, das erst dann Musik in unseren Ohren ist, wenn alle Musiker optimal aufeinander eingespielt sind.

Manche Stoffe bilden ein starkes Doppelpack:
Eisen und Vitamin C beispielsweise. Der Körper kann Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln allein nur schlecht aufnehmen. Gibt man allerdings Vitamin C dazu, funktioniert die Aufnahme wesentlich besser und der Eisenspiegel im Blut steigt an.

Diese „Resorption“, wie die Fachleute den Übertritt von Nährstoffen aus der Nahrung in den Körper nennen, ist ein entscheidender Faktor bei der Ergänzung von fehlenden Vitalstoffen.

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